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Von „‘Wirtschaftsdemokratie’ ist ein Begriffsbastard“ bis „Steuern runter macht Deutschland munter“. Zur Geschichte von Wirtschaftsdiskursen im 20. Jahrhundert*

Martin Wengeler


Seiten 71 - 99



Der Beitrag stellt Forschungsgegenstände und Methoden vor, mit denen das Programm einer kulturwissenschaftlich orientierten und diskursanalytisch arbeitenden Linguistik mit dem Ziel einer Sprachgeschichte als Diskurs- und Mentalitätsgeschichte empirisch fortgeführt und zeitlich wie methodisch erweitert wird. Zunächst wird die Erweiterung auf die Zeit der Weimarer Republik vorgestellt. Als eines von elf untersuchten Themenfeldern wird der wirtschaftspolitische Diskurs herausgegriffen. Exemplarisch werden der Streit um die Schlüsselwörter Sozialisierung und Wirtschaftsdemokratie präsentiert. Beide Teildiskurse erweisen sich dabei als Vorläuferdiskurse ähnlich verlaufender Debatten der Zeit nach 1945, bei denen die Weimarer Traditionen aber nur zumTeil erinnert wurden. Als methodische und inhaltliche Erweiterung der „Sprachgeschichte nach 1945“ (Stötzel/Wengeler 1995) wird im zweiten Teil des Beitrags aus einem Projekt zu sprachlichen Konstruktionen sozial- und wirtschaftspolitischer Krisen von 1973 bis heute exemplarisch ein Vergleich von Wirtschaftskrisen-Konstruktionen in den führenden Printmedien BILD und SPIEGEL angestellt. Es geht um die dramatisierende Konstruktion einer Wirtschaftskrise, mit der das Programm der „Agenda 2010“ im Jahre 2003 legitimiert wurde, sowie um die Darstellung der sogenannten „Finanzkrise“ in den Jahren 2008/2009. Neben den dabei festzustellenden Kontinuitäten von Krisenkonstruktionen wie dem Gebrauch der krisenkonstitutiven Singularitäts- und Endpunkt-Topoi erweisen sich auch einige sprachliche Mittel als spezifisch für die jeweilige Krise, zum Beispiel die Funktion des Schlüsselwortes Reform im Jahre 2003 oder die unterschiedliche Konstruktion von Schuldigen: „Die Politiker“ 2003, „die Banker“ 2008/09.

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